Wenn ein Kind die Zahlen von 1 bis 100 sicher in der richtigen Reihenfolge aufsagen kann, ist das dann schon Zählen? In gewisser Hinsicht natürlich schon. Diese Fähigkeit liegt jedoch oft eher im Bereich der Gedächtnis- und Sprachentwicklung als in der Mathematik.

Alle Kinder durchlaufen beim Erlernen einer neuen Fähigkeit mehrere Phasen, so auch beim Zählen. Zuerst verstehen sie einfach, dass die Worte „eins, zwei ... hundert“ als Antwort auf die Frage „Wie viele?“ verwendet werden können. Dann prägen sie sich die Abfolge von Wörtern ein, die wir Zahlen nennen. Die Fähigkeit, die Worte „eins, zwei ... siebzehn, achtzehn“ auszusprechen, ist jedoch noch kein Zählen – es wurde nämlich noch kein Verständnis für Zahlen entwickelt.


Hier ist ein Beispiel für ein Spiel: Es gibt einen Satz von Karten mit je 1 bis 5 Punkten, die zufällig auf den Karten platziert werden. Dabei können 4 Punkte nicht nur in einer Linie oder einem Quadrat angeordnet sein, sondern auch in einem „T“ oder einem „L“. Die Aufgabenstellung an die Kinder lautet: „Schaut, ich habe Kisten mit Äpfeln. Die Punkte auf den Karten sind heute Äpfel, einverstanden? In den Laden mit der Nummer „4“ müssen alle Kisten gebracht werden, in denen sich genau 4 Äpfel befinden. Und hier vorne sind es 3 Äpfel und dort drüben 5. Los geht's!“ Die Aufgabe ist verständlich und die Kinder machen sich schnell an die Arbeit.

Manche sammeln nur Fünfen, anderen fällt es leichter, Kisten mit je 3 Äpfeln zu sammeln – die Entscheidung liegt bei den Kindern. Ich habe alle Karten! Endlich sind alle Äpfel an ihrem Platz angekommen. Ich bedanke mich bei den Kindern und schlage vor, dass sie die Äpfel nun in die Läden „6“, „7“ und „8“ bringen. Die Kinder fangen an, die Punkte zu zählen – und stellen schnell fest, dass es dafür gar keine passenden Kisten gibt.

Oh, stimmt! Dann können in diese Läden jeweils 2 Kisten gebracht werden, in denen zusammen 8 Äpfel sind!

Was macht ein Erwachsener in einer solchen Situation? Er erinnert sich daran, wie man eine 8 bildet, z. B. aus 3 und 5 oder 4 und 4, und nimmt sich dann die entsprechenden Karten.

Was machen Kinder? Sie nehmen eine Karte mit 5 Punkten aus dem Laden mit der Nummer „5“ und zählen noch einmal die Punkte auf der Karte. Dann tippen sie mit den Fingern, runzeln die Stirn, bewegen die Lippen und stellen fest, dass sie noch 3 weitere Äpfel brauchen. Sie finden eine passende Karte und zählen auf dieser ebenfalls noch einmal nach. Um sicherzugehen, zählen sie dann noch einmal alle Punkte zusammen. Sie nutzen nicht das Wissen, dass auf der ersten Karte 5 Punkte sind, sondern beginnen jedes Mal von vorne zu zählen.


Hier ist ein anderes Spiel: Wir beide müssen zusammen 5 Finger auf den Tisch legen. Ich habe bereits 3 Finger auf den Tisch gelegt – wie viele musst du noch hinzufügen? Die Kinder, die ständig damit beschäftigt waren, Autokarten zusammenzuzählen und laut den Spruch „Zwei plus drei gleich fünf“ aufzusagen, beginnen wieder zu murmeln und die Stirn zu runzeln! Es ist schwer für sie! Ach, dir fällt es leicht – dann lass uns die Aufgabe schwieriger machen. Wir müssen gemeinsam 10 Finger hochhalten! Ich zeige dir 5 und du zeigst mir 5. Ich zeige dir 9, und du? Ich zeige 3 auf einer Hand und einen auf der anderen. Wie viele musst du noch hinzufügen?

Wenn ein Mensch ein Verständnis für Zahlen entwickelt hat, dann beschleunigen Zahlen seine Arbeit und erleichtern ihm das Leben. Wenn er nur weiß, dass 3 Finger der Zahl „3“ zugeordnet werden müssen, zählt er zwar schon, aber noch nicht in vollem Umfang. Bei praktischen Aufgaben mit Gegenständen müssen Kinder häufig erst einmal nachzählen, wobei sie jedes Mal mit „1“ beginnen, und die Kenntnis der Ziffern ist dabei keine Hilfe.

Das Kind weiß, dass es 5 Finger an seiner Hand hat. Aber wenn wir ihm 5 Finger und noch einen weiteren zeigen, zählt es nicht ab „5“, sondern ab „1“ – ist Ihnen das schon einmal aufgefallen?


Das Zahlenverständnis ist also noch nicht vollständig entwickelt. Es handelt sich dabei um einen langfristigen Prozess, nicht um einen sofortigen! Man kann eine Zahl ertasten, einen Rhythmus klopfen oder Gegenstände nach ihrem Gewicht vergleichen – und all das ist auch noch Mathematik!