Von erlernter Hilflosigkeit spricht man, wenn eine Person, anstatt aktiv zu handeln und zu versuchen, Ziele zu erreichen, bewusst eine passive Haltung bevorzugt. Vereinfacht ausgedrückt ist es der Wunsch, sich zu verstecken und dann zu sehen, dass sich die Dinge irgendwie von selbst zum Besseren gewendet haben.

Sie ist „erlernt“, weil diese Art von Reaktion in bestimmten Situationen auftritt und sich verfestigt, z. B. wenn die betroffene Person wiederholt etwas nicht schafft und es schließlich nicht weiter versucht. Was hat das alles mit Kindern zu tun, mit Lernen, mit Erziehung?

Ich werde das nicht tun!

„Ich werde die Buchstaben nicht lernen!“ Das kleine Mädchen reißt wütend das Poster von der Wand, das ihr Großvater sorgfältig gezeichnet hat: „Ich brauche sie nicht!“

Es kann vorkommen, dass ein Kind alle Versuche, etwas zu beginnen, ablehnt, weil der Arbeitsaufwand und die Komplexität überwältigend erscheinen. Das Mädchen sieht das Alphabet an der Wand, alle Buchstaben auf einmal, und weiß, dass man sie ihr gleich alle vorlesen und dann alle abfragen wird, und wenn sie nicht mehr weiter weiß, werden ihre Eltern den Kopf schütteln und sagen: „Schon wieder hast du dir nur A und O gemerkt!“

Wenn man etwas Neues lernt, ist es besser, kleine Schritte zu machen. Das gilt nicht nur für die formale Bildung, sondern auch für die Lebenskompetenzen. Das Wichtigste ist, dass das Kind einen Fortschritt spürt und merkt, dass es vorankommt. Dafür müssen wiederum die Eltern lernen, auch die kleinen Fortschritte zu bemerken. Ein Buchstabe in einer Zeile ist richtig gut geworden - großartig! Das Kind hat alle Kartoffeln in der Suppe ganz allein aufgegessen? Gut gemacht – toll, wie du die Kartoffeln gefunden hast! Durch die positive Bestärkung, durch das Gefühl, dass sich die Eltern über seine Erfolge freuen, verspürt das Kind den Wunsch, weiterzumachen.

Ich kann das nicht!

„Sohn, binde bitte deine Schnürsenkel!“

„Aber ich kann das nicht...“ – und das Kind bleibt mit baumelnden Füßen auf dem Stuhl sitzen und wartet darauf, dass seine Mutter kommt und ihm hilft.

„Nicht stören!“, „Nicht anfassen!“, „Du kannst das nicht!“ – Mütter und Väter stoppen oft selbst die Versuche ihrer Kinder, sich an einer Tätigkeit für Erwachsene zu beteiligen. Aber woher soll ein Kind wissen, was es kann, wenn es noch nie etwas versucht hat? Aus den Worten der Eltern schließt das Kind, dass es klein ist und nichts kann, und wenn doch... dann lohnt es sich nicht, es zu versuchen!

„Inkompetenz“ in Haushaltssituationen ist in der Regel darauf zurückzuführen, dass das Kind nicht in das Leben der Erwachsenen eingebunden ist. Natürlich ist es für einen Erwachsenen einfacher und schneller, den Salat selbst zu schneiden. Natürlich braucht ein Kind wesentlich länger, um sich selbst die Schnürsenkel zu binden. Aber warum sollte man sich so beeilen? Schließlich wird diese Zeit nicht verschwendet – sie wird für die Bildung des Kindes, die Entwicklung von Fähigkeiten und die Förderung einer aktiven Lebenseinstellung verwendet! Man kann einfach früher mit dem Anziehen beginnen, um dem Kind mehr Zeit zu geben und es nicht zu drängen, sondern es das tun zu lassen, was es selbst kann.

Ich will das nicht!

„Ich will das nicht essen! Es ist merkwürdig!“, erklärt das Kind, als es zum ersten Mal einen Auflauf sieht.

„Aber es ist alles drin, was du magst: Kohl, Hühnchen, Käse... einfach alles zusammen.“

„Ich will es aber nicht!“

Sehr oft haben Kinder, wenn sie mit einer neuen Situation konfrontiert werden, Angst, damit anzufangen, weil sie davon ausgehen, dass sie nicht gleich beim ersten Wunsch „das Spiel beenden“ können. Was ist, wenn der Auflauf gar nicht schmeckt und man ihn trotzdem aufessen muss?

Hier kommt den Eltern die „Vertragsmethode“ zu Hilfe, die dem Kind die Möglichkeit gibt, die Situation zu kontrollieren. Im Falle des neuen Essens genügt z. B. die Vereinbarung, dass niemand sich beschwert, wenn das Kind nach dem ersten Löffel nicht mehr aufessen will, und der Teller einfach weggeräumt wird. Versichern Sie Ihrem Kind, dass es, nachdem es den ersten Schritt getan hat, jederzeit wieder aussteigen kann und niemandem mehr etwas schuldet. Natürlich müssen sich auch die Eltern an die Bedingungen dieses „Vertrags“ halten. Wenn Erwachsene diese Methode zum ersten Mal anwenden, testen die Kinder häufig zunächst die Gültigkeit des Vertrags, indem sie absichtlich alles ablehnen (selbst wenn es ihnen gefallen hat) – das erfordert viel Geduld.

Ich kann das nicht!

„Sohn, bastle doch mal eine schöne Karte für Oma!“

„Nee... Das kann ich nicht...“, antwortet der Junge, während er die „gemeinsamen“ Meisterwerke von sich und seiner Mutter im Regal betrachtet.

Zweifel an den eigenen Fähigkeiten entstehen bei einem Kind, wenn es häufig mit Aufgaben konfrontiert wird, die es, so sehr es auch will, nicht allein bewältigen kann.

In einem klassischen psychologischen Experiment wurden Schülern zunächst „aussichtslose“ Aufgaben gestellt, die nicht gelöst werden konnten, gefolgt von gewöhnlichen Aufgaben, die denen ähnelten, die sie zuvor im Unterricht gelöst hatten. Viele der Schüler, die bei den „aussichtslosen“ Aufgaben die Hoffnung auf eine Lösung verloren hatten, scheiterten anschließend auch an den gewöhnlichen Aufgaben. Das heißt, es reicht schon aus, wenn ein Kind ein paar Mal seine Hilflosigkeit in einer bestimmten Situation erlebt, damit daraus eine Norm für sein zukünftiges Verhalten wird. Um eine Karte für die Oma zu basteln, reichen Stifte und Papier aus – man sollte die Messlatte nicht zu hoch legen.

Wenn ein Kind von sich aus Interesse an Aufgaben zeigt, die objektiv betrachtet noch zu schwer für ihn sind, sollte man es natürlich versuchen lassen, diese zu lösen, und die Stufe, die es geschafft hat, positiv bewerten. So könnte das Kind z. B. eine Aufgabe aufschreiben, diese aber nicht bis zum Ende lösen oder, im Falle unserer Karte, die Materialien vorbereiten, eine Skizze anfertigen, Farben auswählen, aber eventuell nicht in der Lage sein, seine Idee ohne Hilfe umzusetzen.

Im Grunde genommen sind all diese Möglichkeiten des Umgangs mit erlernter Hilflosigkeit Grundvoraussetzungen für die Gestaltung einer positiven Gesprächskultur mit dem Kind. Die Hauptsache ist, dass man lernt, solche Situationen zu erkennen und die Gründe für die Reaktionen des Kindes zu verstehen. Alle Kinder brauchen Hilfe von liebevollen und fürsorglichen Menschen, die ihre Ängste verstehen, ihren Ehrgeiz nicht unterdrücken und bereit sind, sie mit viel Geduld dabei zu unterstützen, sich zu selbständigen und unternehmungslustigen Menschen zu entwickeln.